Die 29-Jährige sagte zum Ende ihrer Rede dann noch einen Satz, den man so in Deutschland selten hört. Der jenseits politischer Debatten um Waffenstillstände heute, morgen oder übermorgen steht, der nicht kompliziert ist, sondern einfach: „Die Sicherheit der israelischen und palästinensischen Bevölkerung sind untrennbar miteinander verbunden.“ Eine Erkenntnis, für die allein sich diese Debatte gelohnt haben könnte. Und vielleicht spricht man genau so über diesen schwierigsten aller Konflikte, bestenfalls.
Ich finde es schade, dass es jetzt als Erkenntnis dieser Debatte interpretiert wird. Das suggeriert, dass das irgendwie neu sei. Dabei wird das von Experten, Diplomaten, Aktivisten, Politikern und vielen mehr seit Jahrzehnten so gesagt. Es wurde so von Juden von Muslimen von Christen gesagt. Es wurde so von Holocaustüberlebenden und Überlebenden der Nakba gesagt.
Aber in dem deutschen “Ökosystem” aus Staatsräson-Politikern, “transatlantischen” Medienkonzernen wie Axel Springer und öffentlich Rechtlichen mit Framinganleitungen, radikal zionistischen Verbänden, die beanspruchen Juden in Deutschland zu repräsentieren und selbstzensierenden Kunstszenen hat man sich demgegenüber komplett abgeschottet.
Jetzt will man so langsam aufwachen und meint neue Erkenntnisse zu erlangen, die seit jeher auf dem Tisch lagen, die man aber bewusst ausgeblendet hat. Jetzt da die Regierung Israels vollends jede Hülle fallen gelassen hat, und die genozidiale Absicht unweigerlich offenkundig ist, ja jetzt will man zum ersten mal davon gehört haben. All die Monate von einseitiger Darstellung, Verleumdung, rassistischer Diskriminierung, Versammlungsverbote, Ausladungen kritischer Stimmen, gerade jüdischer kritischer Stimmen, all das will man dann nicht gewesen sein.
Deswegen muss es jetzt eine neue Erkenntnis sein. Denn man kann, will und darf von nichts gewusst haben, selbst wenn man selbst daran beteiligt war. Sonst müsste man dafür Verantwortung übernehmen und einsehen, dass Deutschland nichts aus der eigenen Geschichte gelernt hat.
Link zu Debatte: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw12-de-aktuelle-stunde-israel-994778
In Deutschland sind alle Parlamentssitzungen öffentlich. Wenn man diese Debatte hören soll, dann bitte auch einen Link dazu. Ich finde es immer doof, wenn Zeitungen ihre Quellen nicht direkt und deutlich angeben. Und nein, nur dpa reicht mir nicht.
Erst kam der Hamas-Terror, dann die israelische Reaktion.
Ohne jetzt die ganze Rede gehört zu haben, habe ich Mühe mit dieser Aussage, wenn sie denn so gemeint war dass die Hamas am Anfang dieser jetzt so dramatischen Situation steht.
Das Massaker vom 07. Oktober war ein furchtbares Verbrechen und durch nichts gerechtfertigt. Aber es ist auch nicht im luftleeren Raum entstanden. Die Hamas zieht ihre Macht aus der Verzweiflung und Wut der Palästineneischen Bevölkerung und die ist wiederum Ergebnis von jahrzehntelanger Unterdrückung und Diskriminierung durch den Staat Israel. Es gibt eine sehr lange Vorgeschichte, bei der keine Seite gut aussieht. Ich kenne keine Nahost-Expertin, die eindeutige Antworten auf Fragen wie ‘wer hat angefangen’ oder ‘wer ist schuld’ hat.
Die Eskalation war beiden Seiten willkommen - der Israelischen Regierung und der Hamas. Für das Schicksal der Zivilbevölkerung - der Gegenseite, aber auch der eigenen - scheinen sie sich nicht zu interessieren.
Die israelischen Maßnahmen gegen die Palästinensergebiete sind aber eben auch nur eine Reaktion auf Angriffe auf Israel. Es gab 1947, 1967 und 1973 Angriffskriege gegen Israel. In der Folge hat Israel dann Gebiete besetzt um eine bessere strategische Position zu haben. Die langfristige Blockade von Gaza ist eine Reaktion auf den Raktenbeschuss.
Es stimmt zwar, dass die Hamas die Gewalt als Rekrutierungsmittel nutzt, aber sie legitimiert damit nun einmal eben diese israelische Gewalt. Natürlich führt die Gewalt zu überproportional vielen Opfern auf palästinensische Seite, aber man kann es einem Staat schlecht zum Vorwurf machen, dass die eigene Armee die eigene Bevölkerung besser schützt als die des Feindes.
Angesichts der Deutschen Geschichte hoffe ich wirklich, dass diese Eskalation endlich zu einer Lösung führt. Wir hatten in diesem Land auch eine durchradikalisierte Bevölkerung, die glaubte sich mit Gewalt gegen die Unterdrückung durch das Ausland wehren zu müssen. Aber am Ende hat die totale Niederlage, in Verbindung mit dem sehr erfolgreichen Wiederaufbau für einen dauerhaften Frieden gesorgt.
Es gibt eine sehr lange Vorgeschichte
Bei der du eben nicht lange genug zurück gehst, wenn du schon “kontextualisieren” willst. 1948 haben die Araber den Teilungsplan abgelehnt und einen Krieg angefangen, in dem Israel gegen alle Wahrscheinlichkeit lebend rausgekommen ist. 1967 haben die Araber wieder einen Krieg angefangen, den sie wieder verloren haben. Ebenso 1973. Dann kam als Antwort auf die Oslo-Verträge nur eine Intifada nach der anderen. Seit dem kompletten Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen hat sich nur die Hamas stärken können. Das Massaker vom 7. Oktober war mitunter das Schlimmste, was in den letzten 78 Jahren passiert ist - und es steht eindeutig in einer klaren Marschrichtung des eliminatorischen Antisemitismus.
Die Sicherheitsmaßnahmen Israels sind nichts anderes als die Reaktion auf den unbändigen Vernichtungswillen ihrer Nachbarn.
Falls dieser Kontext nicht in dein Narrativ passt, versuch es doch einfach mal ohne. Denn aus der Frage: “Wer hat am 7. Oktober wen überfallen?” ergibt sich ganz schnell die Antwort auf die Frage, wer für die jetzige Situation die Verantwortung trägt.
Ist immer praktisch genau dort mit dem kontextualisieren anzufangen, wo es sich für die eigene Erzählung am besten passt.
Das Palästina in Jahren davor fremdbestimmtes Land war, das gar nicht die Möglichkeit hatte einen Staat zu gründen erwähnst du nicht. Aber auch unabhängig davon, es ist nicht okay Gebiete zu kolonialisieren nur weil dort aktuell kein Staat wie wir ihn kennen existiert.
Das Palästina in Jahren davor fremdbestimmtes Land war, das gar nicht die Möglichkeit hatte einen Staat zu gründen erwähnst du nicht
Muss man ja auch nicht. Schließlich wollte zumindest kein “Palästinenser” dort jemals einen Staat gründen. Jordanien hatte den Anspruch. Und Jordanien ist bereits auf 75% der ehemaligen osmanischen Provinz Palästina gegründet worden.
es ist nicht okay Gebiete zu kolonialisieren
Eklär mal deinen Begriff “Kolonisierung”. Schließlich waren a) Juden in der Region bereits ein wenig länger dort ansässig als die Araber und b) gab es dazu einen Beschluss der Vereinten Nationen, was eine imperalistische Landnahme schon mal ausschließt.
Ja gut wenn auf einmal in deiner Heimat ein neuer Staat entsteht und du Platz machen musst ist es wirklich unverständlich wenn Konflikte entbrennen , insbesondere in einer Region welche von drei Religionen für sich beansprucht wird, haste schon recht.
in deiner Heimat ein neuer Staat entsteht und du Platz machen musst
Schon falsch.
Zum einen gab es keinen “palästinensischen Staat” vor 1948. Das Gebiet haben die Osmanen im 1. Weltkrieg an die Briten und Franzosen verloren, die nach und nach eigene arabische Staaten in der Region aus den Überresten gebildet haben (Irak, Saudi-Arabien, Jordanien, Syrien, Libanon…).
Zum anderen gab es 1948 keine palästinensische Nationalbewegung, weswegen die Ablehnung der arabischen Staaten zu einem palästinensischen Staat nicht verwunderlich war. Schließlich sahen sich Jordanien und Ägypten als die rechtmäßigen Herrscher über das Gebiet. Daraus folgte, dass sie sich 1948 das Westjordanland bzw. den Gaza-Streifen einverleibt hatten. Wohlgemerkt: gänzlich unwidersprochen von jeglicher “palästinensischen Urbevölkerung”.
Erst die PLO hat bei ihrer Gründung 1964 ein palästinensisches Volk herbeifantasiert. In Abstimmung mit Jordanien sah die erste PLO-Charta noch vor, dass das Westjordanland weiterhin rechtmäßig zu Jordanien gehöre - der Teil des ehemaligen Mandatsgebiets, auf dem Israel gegründet wurde, sollte das Land für die PLO sein. 1967 mussten diese Pläne dann ad acta gelegt werden…
„Das Sterben muss ein Ende haben“. Politiker aller Parteien verurteilen im Bundestag die Hamas und zeigen, wie ernst man diskutieren kann. Über einen Balanceakt, der gelingt.